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Urteil: Beeinträchtigung durch Hundezucht Az.: 13 U 110/85

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Gegenstand der Verhandlung:

1. Beeinträchtigungen durch Hundezucht in einem Wohngebiet sind nicht ortsüblich.

2. Der Hundezüchter kann im Urteilsverfahren zwischen bestehenden Möglichkeiten wählen, die Beeinträchtigung zu unterlassen. Als Obergrenze dient die Regel der Ortsüblichkeit. In einem Wohngebiet ist die Haltung von maximal zwei Hunden als ortsüblich anzusehen. Meinungsverschiedenheiten über die Einhaltung dieser Obergrenze gehören laut Berufungsrichter ins Vollstreckungsverfahren.

Berufungsurteil des OLG Stuttgart:

Der Kläger kann die Beseitigung der Beeinträchtigungen gemäß §§ 1004, 906 BGB verlangen, die mit der Hundezucht des Beklagten auf dem Nachbargrundstück verbunden sind. Allerdings kann er durch Urteil des Zivilgerichts dessen Hundezucht nicht ganz verbieten.

Sachverhalt:

Das zweigeschossige Wohnhaus, dessen 1. Etage der Kläger bewohnt, grenzt auf einige Meter an den Hof des Grundstücks des Beklagten. Der hält dort ein Gehege mit Zwingern und züchtet Leonberger Hunde. Neben einem Rüden und vier Hündinnen kommen jährlich etwa zwei Würfe Welpen zur Welt. Die beiden Grundstücke liegen in einem Wohngebiet der Gemeinde. Der Kläger fühlt sich durch das Hundegebell und die Gerüche gestört. Er erhob Klage beim Landgericht mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, geeignete Maßnahmen dafür zu treffen, damit der Kläger in der Zeit von 19 bis 7 Uhr und von 13 bis 15 Uhr nicht mehr durch Hundegebell gestört wird und dass das Hundegebell in der übrigen Zeit ein zumutbares Maß nicht überschreitet.

Das Langegericht wies die Klage ab, weil der Kläger eine wesentliche Beeinträchtigung nicht bewiesen habe. Zudem sei eine Wiederholungsgefahr nicht gegeben, da der Beklagte sich um die Ruhighaltung der Hunde bemüht habe.

Begründung:

Das Berufungsgericht hingegen gab dem Kläger Recht. Eine Beeinträchtigung durch die Hundezucht ergebe sich aus den Angaben der Parteien und der Inaugenscheinnahme durch das LG über die örtlichen Verhältnisse sowie den Aussagen mehrerer Zeugen vor dem LG. Nicht der Kläger, sondern der Beklagte trage die Beweislast, dass die Beeinträchtigung durch seine Hunde nicht wesentlich und daher nach § 906 Abs. 1 BGB zu dulden sei. Auszugehen ist dabei von einem durchschnittlich empfindenden Bewohner des Hauses des Klägers. Für die Urteilsfindung irrelevant hingegen seien Bewohner anderer Grundstücke, die nicht unmittelbar an das Grundstück des Beklagten angrenzten. Deshalb sei die Benennung und Anhörung von Gegenzeugen durch den Beklagten unerheblich.

Das Berufungsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass es nicht darauf ankomme, ob die gesamte Nachbarschaft sich gestört fühlt, sondern ob ein durchschnittlicher Benutzer des betroffenen Grundstücks eine Beeinträchtigung empfindet. Hiervon ist der Senat überzeugt, weil ein erheblicher Teil der schon vernommenen Zeugen aus der Nachbarschaft ähnlich empfindet wie der Kläger und eine einzelpersönlich bedingte Überempfindlichkeit desselben nicht mehr beweisbar ist. Eine Duldungspflicht des Klägers wegen Ortsüblichkeit der Beeinträchtigung im Sinne von § 906 Abs. 2 BGB liegt nicht vor. Ein Wohngebiet ist nicht für die Unterbringung von Hundezuchten vorgesehen. Daran ändere auch nicht, dass ein Tierarzt in der Nähe  drei oder vier Hunde in seinem Haus halte.

Der Hauptantrag wird jedoch teilweise abgewiesen. Der Kläger könne nicht das Verbot der Hundezucht des Beklagten verlangen, da das nicht die einzige Möglichkeit der Abhilfe sei. Der Beklagte dürfe selbst versuchen und entscheiden, welche Möglichkeiten es gäbe, die Hunde zu behalten und so unterzubringen, dass die Beeinträchtigung des Klägers auf seinem Grundstück zurückgeht, bis sie sich im Rahmen dessen hält, was er hinnehmen muss (BGHZ 67, 252). Die Obergrenze bildet dabei die Beeinträchtigung, wie sie dem Halten von zwei Hunden normalerweise entspricht. Denn dieses wird in vergleichbaren Wohngebieten unter normalen Verhältnissen von den Nachbarn im Allgemeinen hingenommen. Daher kann dem Kläger in diesem Verfahren auch nicht mehr zugebilligt werden. Dem Beklagten bleibt es überlassen, die Örtlichkeiten oder Baulichkeiten für seine Hundezucht zu ändern und/oder die Zahl seiner Hunde auf höchstens zwei herabzusetzen.

Bei gegenseitiger Rücksichtnahme, so wie sie sich vorübergehend bei den Bemühungen um einen Vergleichsschluss abzeichnete, werden die Parteien ein Vollstreckungsverfahren vermeiden können. Andererseits hat der Kläger jederzeit die Möglichkeit, den zuerkannten Schutzanspruch durch gerichtliche Vollstreckung durchzusetzen, sobald sich herausstellt, dass der Beklagte sich auf dieses Urteil unzureichend einstellt. Im Übrigen hat der Kläger keinen Anspruch auf Unterlassung unerlaubter Überschreitung von Baurechtsregeln, da er nicht dargelegt hat, das neben dem zu schützenden Eigentum und Besitz an seinem Nachbargrundstück ein anderes Rechtsgut im Sinne von § 823 BGB verletzt wäre.